"The Culture" in der Schirn Kunsthalle Frankfurt

"The Culture": Hip-Hop in Kunst und Kultur

In der renommierten Schirn Kunsthalle öffnet sich für Außenstehende und Insider ein spannendes Fenster zur faszinierenden Welt des Hip-Hop. Das Genre, das weit mehr als nur eine musikalische Richtung ist, feiert weiterhin seinen 50. Jahrestag mit einer bahnbrechenden interdisziplinäre Ausstellung, die direkt aus dem Baltimore Museum of Art und dem Saint Louis Art Museum stammt. In Frankfurt wird vom 29. Februar bis zum 26. Mai 2024 "THE CULTURE: Hip-Hop und zeitgenössische Kunst im 21. Jahrhundert" mit über 100 Exponaten aus der zeitgenössischen Hip-Hop Kultur gezeigt. Dabei kann man tief in den kulturellen Kosmos eintauchen, der Hip-Hop umgibt und beleuchtet dessen unübersehbaren Einfluss auf die Kunst unserer Zeit.

Ursprünge und Entwicklung

Geboren in der Bronx der 1970er Jahre, entwickelte sich Hip-Hop schnell von lokalen Blockpartys zu einer weltweiten Bewegung. Diese kulturelle Revolution, die auf den Grundpfeilern des MCing, DJing, Breaking und Graffiti fußt, bot eine Stimme für marginalisierte Gruppen und schuf neue Wege, um Erfahrungen und Perspektiven auszudrücken. Hip-Hop diente als Medium für soziale und politische Kritik und entwickelte sich zu einem globalen Phänomen, das Innovationen in Musik, Mode, Technologie und Kunst vorantrieb.

"The Culture" – Eine Hip-Hop Ausstellung

Die Ausstellung "THE CULTURE" präsentiert über 100 zeitgenössische Werke, darunter Gemälde, Fotografien, Skulpturen, Videos und Modekreationen von international anerkannten Künstlern, Designern und Marken wie Dapper Dan, Gucci, Jean-Michel Basquiat, Cross Colors, Virgil AblohVivienne Westwood, Louis Vuitton, Pharrell Williams und Gordon Parks. Von der Selbstdarstellung über die Auseinandersetzung mit Luxusmarken bis hin zur Bedeutung von Schmuck in der Hip-Hop-Kultur - "THE CULTURE" zeigt auf, wie Hip-Hop die Kunstszene inspiriert und beeinflusst hat. Die Ausstellung würdigt nicht nur die künstlerischen Leistungen innerhalb des Genres, sondern thematisiert auch zeitgenössische Debatten rund um Identität, Rassismus und Empowerment. Diese Werke spiegeln die vielfältigen Facetten des Hip-Hop und dessen Einfluss auf die zeitgenössische Kunst wider, unterteilt in sechs thematische Bereiche: Pose, Marke, Schmuck, Tribut, Aufstieg und Sprache. Jeder Bereich beleuchtet unterschiedliche Aspekte der Hip-Hop-Kultur und deren Interaktion mit der zeitgenössischen Kunst.

For all of those who wanna profile and pose

Im Sektor "POSE" der Schau werden durch künstlerisches Schaffen Fragestellungen bezüglich der Übermittlung von Ideen mittels Gestik, Körperausrichtung und Selbstpräsentation ergründet. Künstlerpersönlichkeiten wie Michael Vasquez, Nina Chanel Abney und Tschabalala Self setzen sich mit den Themen binärer Geschlechtsidentitäten und rassistischen Klischees auseinander, navigieren die feinen Linien zwischen Bewunderung und Anmaßung, reflektieren über die Dynamik zwischen Betrachtern und Darstellern, und hinterfragen, welche Körper als bedrohlich oder schutzbedürftig angesehen werden und wer diese Urteile fällt. Für einige ist das Präsentieren der eigenen Person eine Überlebensstrategie, für andere ein Mittel zur Selbstbehauptung, und für wiederum andere ein Instrument, um starre Vorstellungen von körperlicher Expression zu revolutionieren.

I’m not a businessman, I’m a business… man.

Über die letzten Dekaden hinweg, agierten Hip-Hop Interpreten als nicht offizielle Förderer bedeutender Brands, die in Resonanz zu ihrem individuellen Stil und der beabsichtigten Außendarstellung standen. Das kreative Anverwandeln von Luxusmarken, um etwas Distinktives zu erschaffen, exemplifiziert durch die ikonische Figur Daniel R. Day, auch bekannt als Dapper Dan, hinterfragt tiefgründig den Begriff der Originalität und beleuchtet die komplexe Dynamik zwischen Luxusmarken und jenen, die bewusst von diesen ausgeschlossen werden. Ungeachtet dessen, ob sie Mode kreieren, Musik produzieren oder Kunstwerke erschaffen, verwischen die Artists die Linien zwischen diesen Ausdrucksformen und der Kunst der (Selbst-)Vermarktung. Der Bereich "MARKE" präsentiert Werke von Kudzanai Chiurai, Larry W. sowie ein Videokunstwerk in Kooperation von Arthur Jafa, Malik Sayeed und Elissa Blount Moorhead, die sich mit Themen wie Konsumverhalten, die Zurschaustellung von Luxus und tief verwurzelte sowie starre Konzepte von Männlichkeit auseinandersetzen, welche bei zahlreichen Protagonisten des Hip-Hop sichtbar werden. 

My jewelery game is retarded

Während der Ausdruck von Stil häufig durch soziale Schichtung und politische Zugehörigkeiten geformt wird, zeichnet sich kaum ein kulturelles Phänomen durch eine solch exzentrische und prägende Kleidungsweise aus wie der Hip-Hop. Von den vielfarbigen Haarprachten Lil’ Kims bis zu den opulenten Goldhalsketten, die Big Daddy Kane und Rakim zur Schau trugen: Manche der markantesten und individuellsten Styles entspringen dem Hip-Hop, die im Segment "SCHMUCK" gezeigt werden. Artists wie Miguel Luciano oder Hank Willis Thomas präsentieren schillerndes Bling, funkelnde Zahngrills oder die kultigen Nike Air-Force-1-Treter – primär getragen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Die Arbeiten von Murjoni Merriweather, Yvonne Osei und Lauren Halsey zelebrieren sowohl synthetisches Haar als auch Haarstylings als Ausdrucksformen der Selbstbehauptung in der Black Community und als autonome Kunstgattungen. Der Schmuck im Hip-Hop vermag es, eine Herausforderung an eurozentrische Ästhetiknormen zu stellen und gängige Auffassungen von Geschmack sowie gesellschaftliche Normen zu hinterfragen.

That's a tribute to my head-space

Vom gezielten Erwähnen prominenter Namen in Liedtexten bis zur Verewigung verstorbener Ikonen des Rap auf Textilien oder der Haut – Zollungen von Ehrerbietung und Anerkennungszeichen als Dankbarkeitsgesten durchdringen die Essenz der Hip-Hop-Kultur. Derartige Referenzen legen offen, wer prägenden Einfluss besitzt und wer von Bedeutung ist; sie zollen Tribut und ehren das Erbe sowie das Vermächtnis dahingeschiedener Artists und fördern die Vernetzung untereinander. Die Akzentuierung spezifischer Persönlichkeiten und Events leistet einen Beitrag zur Verfestigung des Hip-Hop, indem bestimmte Kunstwerke, Lieder und Artists gemeinschaftlich für ihre künstlerische Brillanz und historische Bedeutsamkeit gefeiert werden. Carrie Mae Weems porträtiert für das W Magazine die Musikerin Mary J. Blige gekrönt, Derrick Adams' NFT "Heir to the Throne" zieht Inspiration aus Jay-Zs erstem Studioalbum "Reasonable Doubt" und Roberto Lugo erschafft mit "Street Shrine 1: A Notorious Story" aus Keramik ein Denkmal für Notorious B.I.G. Die Künstler und Künstlerinnen hinterfragen im Abschnitt "TRIBUT" was in der vornehmlich "weißen Welt" als schön anzusehen ist, wer als ikonisch gilt und wessen Geschichte als wertvoll erachtet wird.

Started from the bottom now we're here

Der Tod sowie Visionen der Wiederauferstehung beziehungsweise des Emporsteigens und der Existenz im Jenseits finden sich oft in den Liedern des Hip-Hop wieder: Sie reichen von der Betrauerung eines dahingeschiedenen Gefährten über die omnipräsente Bedrohung, sich als Angehöriger der afroamerikanischen Gemeinschaft in urbanen Gefilden zu bewegen, bis zu Überlegungen über die Ewigkeit, die durch Bekanntheit erlangt wird. Die Ausstellung präsentiert im Bereich "AUFSTIEG" Kunstwerke, die von den Motiven des geistlichen Emporstiegs innerhalb dieser Kultur inspiriert sind, wie beispielsweise "Ascent" aus der "DuRags"-Reihe von John Edmonds. Kahlil Joseph entwirft mit dem Videowerk "m.A.A.d." ein opulentes, zeitgenössisches Bildnis von Compton, Kalifornien, dem Geburtsort des mit dem Pulitzer-Preis gekrönten Hip-Hop Superstars Kendrick Lamar. Ein Liedtitel von K-Dot dient ebenfalls als Inspiration für die Collage "Promise You Will Sing About Me" von Robert Hodge. Auf diese Art und Weise nutzen Artists den Hip-Hop als Medium, um Verluste zu verarbeiten, zu betrauern und zu gedenken.

Don't talk the talk, if you can't walk the walk

Hip-Hop verkörpert eine künstlerische Ausdrucksform, in deren Zentrum die Vielfalt sprachlicher Ausdrucksweisen steht: die optische Sprache des Graffitis, eine akustische Sprache, die das Kratzen von Schallplatten und das Samplen von Musikstücken einbezieht, und selbstredend das geschriebene sowie das mündliche Wort. Dialogische Gesänge im Wechselgespräch, untermalt von Rap-Reimen und Versen, die sich über die Klangspuren legen, erwecken die Musik des Hip-Hop zum Leben. Hip-Hop ist untrennbar mit der Macht der Sprache verbunden. Das Segment "SPRACHE" beleuchtet, wie Rap, Graffiti und Call-and-Response-Gesänge nicht nur musikalische, sondern auch visuelle und verbale Kunstformen sind. Sie zeigt auf, wie Hip-Hop Sprache nutzt, um Grenzen zu überschreiten, Gemeinschaften zu bilden und kulturelle Botschaften zu vermitteln. Einige Nachrichten sind allgemeinverständlich, während andere in Anspielungen, Techniken oder Formen chiffriert sind, die ein spezialisiertes Wissen erfordern und den Anspruch erheben, nicht von jedem begriffen zu werden.

Ein globales Phänomen

"Heute ist Hip-Hop mehr als eine kulturelle Bewegung; es ist eine globale Sprache der Kunst und des Ausdrucks", betont die Schirn Kunsthalle. Die Ausstellung "THE CULTURE" ist ein Zeugnis für die vielschichtige Beziehung zwischen Hip-Hop und zeitgenössischer Kunst und unterstreicht die Rolle des Genres als künstlerischen Kanon des 21. Jahrhunderts. Durch die Präsentation dieser interdisziplinären Werke wird deutlich, dass Hip-Hop die Kunstwelt nicht nur beeinflusst, sondern auch herausgefordert und bereichert hat, was zu einem tieferen Verständnis und einer größeren Wertschätzung für diese dynamische Kulturform führt.

5 Gründe "THE CULTURE" zu besuchen

  1. Zeitgenössische US Hip-Hop Kunst zum ersten Mal in Deutschland
  2. Hype Fashion von Virgil Abloh, Pharrell Williams & Travis Scott
  3. Black Excellence als Kontrast zum eingestaubten Museums-Image
  4. Lokale Hip-Hop Größen kommentieren Exponate als "THE VOICES"
  5. Selbstermächtigung & Erweiterung der Relevanz durch Rahmenprogramm

Hip-Hop Rahmenprogramm zu "THE CULTURE"

Ergänzend zu der Ausstellung in der Schirn Kunsthalle gibt es in Frankfurt und Umgebung sowie online ein vielfältiges Programm, dass die Wurzeln und den Einfluss von Hip-Hop weiter beleuchtet. Einzelne Ausstellungsstücke von "THE CULTURE" werden von lokalen Hip-Hop Persönlichkeiten wie Sabrina Setlur, Gianni Suave oder Liz im "THE VOICES" Audioprogramm kommentiert. Für die musikalische Untermalung sorgen die "Milestones of Hip-Hop" an der Hauptwache im MOMEM. Das DFF (Deutsches Filminstitut & Filmmuseum) zeigt im März und April zu unterschiedlichen Terminen Hip-Hop im Film mit Klassikern aus den Achtzigern und Neunzigern. Weitere Infos und Sonderveranstaltungen zur Ausstellungen findest du online im Schirn Mag.

FAQ "THE CULTURE"

Wo wird "THE CULTURE" ausgestellt?
Schirn Kunsthalle am Römerberg in 60311 Frankfurt am Main

Wie lange läuft die "THE CULTURE" Ausstellung?
Die Ausstellung wird von 29. Februar 2024 bis 26. Mai 2024 gezeigt

Wie sind die Öffnungszeiten von "THE CULTURE"?
Die Ausstellung ist für Diens­tag und Frei­tag bis Sonn­tag von 10 bis 19 Uhr sowie Mitt­woch und Donners­tag von 10 bis 22 Uhr geöff­net.

Wie viel kostet der Eintritt für "THE CULTURE"?
12€ (ermäßigter Eintritt 10€), Kinder unter 8 Jahren haben freien Eintritt

Wo finde ich weitere Informationen über "THE CULTURE"?
Hier im Blog und auf der offizielle Homepage der Schirn Kunsthalle Frankfurt

Bildquelle: Titelbild Schirn Kunsthalle Frankfurt "DJ Screw in Heaven" © El Franco Lee II

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